Kalter Krieg wieder warm?

Der Angriff Russlands auf die Ukraine beschäftigt mich weiter. Das es nun einen Ausschluss aus Swift gibt, über den ich gestern ja schon geschrieben habe, freue ich mich sehr. Gerade auch, dass er offenbar zielgerichtet ist und ich bin noch unsicher, welche Bedeutung die Blockade der Zentralbank hat. Offenbar scheint dies der größte Schlag zu sein, der zu enormen Problemen in Russland führen wird. Aber da muss ich noch mehr lesen – hier kurz ein längerer Thread auf Twitter dazu.

Ich habe heute die Bundestagsdebatte sehr genau verfolgt und will nicht auf alles eingehen, aber manche Dinge machen mir schon etwas Sorgen. Und damit meine ich nicht eine AfD, die Putin nach dem Mund spricht und krampfhaft versucht Deutschland Verantwortung für diesen Angriffskrieg zu geben. Es sind da einige Äußerungen gefallen, die ich wirklich skandalös finde.

Rhetorik aus dem kalten Krieg

Mehr Sorgen und Gedanken macht mir die militärische Dimension der Diskussion und die Rückbeziehung auf die Zeiten des Kalten Krieges. Wenn die „nukleare Teilhabe“ betont wird, passt mir dies nicht in diese Zeit.

Ja, Russland hat einen Angriffskrieg begonnen und ja, es ist seit dem zweiten Weltkrieg der erste Krieg, in dem ein Staat in Europa den anderen um Gebietsgewinne oder Einfluss angeht. Von daher erinnerte es mich durchaus an den Angriff der Sowjetunion auf die Tschechoslowakei im Rahmen des Prager Frühlings. Aber ist es damit eine Aufwärmung des vielleicht inzwischen eiskalten Krieges geworden? Und stehen wir wieder in einer Zeit, in der man Zitate aus den 50er oder 60er Jahre braucht?

Ich glaube nicht. Nennt mich naiv, aber es macht einen gravierenden Unterschied, ob Russland nun die Ukraine angreift oder Polen und die baltischen Staaten. Die Ukraine hat sich zwar gen Westen gerichtet, aber ist eben nicht in einem Verteidigungsbündnis ist und im Vorfeld wurde bereits angekündigt, dass man sich nicht aktiv militärisch engagieren würde. Das Risiko für Russland war – mehr oder weniger – abschätzbar.

Ukraine ist nicht Estland

Ein Angriff auf Estland, Litauen oder Polen wäre dies doch ganz anders. Selbst auf die EU Mitglieder Schweden oder Finnland müsste das Land doch mit viel stärkeren Reaktionen rechnen. Darum mag Putin Schweden und Finnland bei Nato Orientierung zwar drohen und er mag mit der Rede zum Kriegsbeginn auch erklärt haben, dass er von der Auflösung der Sowjetunion und Unabhängigkeiten nicht viel halte, aber wird er in diesen Fällen Krieg führen? Bezweifle ich.

Das Risiko in dem Fall ist einfach zu hoch und das ist Putin auch bekannt. Vertraglich Verbündete der USA und der europäischen Staaten militärisch anzugehen, ist etwas, was sehr viel schneller eskaliert, als dieser Krieg in der Ukraine. Und so wahnsinnig man Putins Handeln auch halten mag, so wahnsinnig ist er als Person nicht, sondern – so hoffe ich irgendwie – schon noch sehr berechnend.

Natürlich bedeutet dies nicht, dass nicht andere Staaten im Umfeld Russlands zum Opfer der gewünschten Wiederherstellung eines russischen Reichs werden könnten. Ohne Verteidigungsbündnis mit einem starken Russland nebenan, ist dies offensichtlich und darum will ich die Gefahr von Putin auch keineswegs klein reden, aber wird es wieder so kommen, dass sich amerikanische und russische Panzer Gesicht zu Gesicht entgegen stehen, wie einst in Berlin? Oder eben aufeinander schießen?

Folgerungen für „den Westen“

Natürlich muss sich „der Westen“ trotzdem Gedanken dazu machen, wie man mit einem Russland umgeht, was womöglich (!) nach der Ukraine noch andere Staaten auf der Liste hat, um sie einzugliedern oder zu willfährigen Satellitenstaaten zu machen. Dazu jetzt eine Antwort zu finden, würde den Rahmen hier sprengen und mehr Recherche erfordern, aber das Problem ist natürlich da.

Und es spricht im Kern natürlich auch nichts dagegen eine Bundeswehr zu haben, die sich im Fall der Fälle auch verteidigen könnte. Die Berichte über Flugzeuge die nicht starten können, etc. sind ja bekannt und dafür Abhilfe zu schaffen ist ja im Prinzip nicht verkehrt.

Fazit

Trotzdem fand ich einige Rhetorik im Bundestag fehl am Platze und ob man das Verteidigungsbudget jetzt nach 70 Jahren Bundesrepublik (von denen 40 wirklich im Kalten Krieg lagen) jetzt plötzlich in den Verfassungsrang erheben muss, erscheint mir schon etwas seltsam.

Vielleicht ist manche Rhetorik auch nur in Richtung Putin gedacht? Vielleicht wird dieser Konflikt aber auch in der eigenen Sicherheitswahrnehmung etwas überspitzt, um so eine Aufrüstung in Deutschland zu forcieren? Genauso wie die Energiefrage für Diskussion über Kohle- und Atomenergie genutzt wird.

Ich weiß nicht, ob ich die Bedrohungslage zu „entspannt“ für uns betrachte und darum manche Aussagen eben für überzogen – was meint ihr?